Wissing verabschiedet sich vom beschleunigten Ausbau der Flüsse und Kanäle – Kein überragendes öffentliches Interesse am Ausbau der Wasserstraßen
Das ist ein Schlag ins Gesicht für die Vertreter von Industrie und Wirtschaft, die unter anderem am Rhein ihre Logistik auf eine gut ausgebaute und damit verlässliche Infrastruktur ausgerichtet haben: Am weiteren Ausbau der Flüsse und Kanäle besteht kein überragendes öffentliches Interesse, und für die öffentliche Sicherheit ist der Flussausbau ebenfalls nicht relevant. Das geht aus einem Gesetzentwurf von Bundesverkehrsminister Volker Wissing hervor, der das beschleunigte Genehmigen und Planen zum Gegenstand hat.
Während allein im Fernstraßenbereich 148 Ausbauprojekte und im Schienenbereich rund 60 Ausbaumaßnahmen per Gesetz Verfahrenserleichterungen im Planfeststellungsverfahren erhalten, nämlich in Form von erleichterten naturschutzfachlichen Prüfungen, soll im Wasserstraßenbereich kein einziger Ausbau beschleunigt werden – weder an der Küste, noch im Hinterland.
Noch im August vergangenen Jahres hatte Wissing im Zusammenhang mit der Fahrrinnenvertiefung am Mittelrhein gemeinsam mit Spitzenvertretern der Industrie eigens eine „Beschleunigungskommission“ gegründet und im November teilte sein Haus der Presse mit: „Die Engpassbeseitigung am Mittelrhein ist eines der wichtigsten Projekte im Bundesverkehrswegeplan. Es stärkt die Industriestandorte am Rhein. Maßnahmen wie diese haben auch mit Blick auf die Einhaltung unserer Klimaziele für uns höchste Priorität.“ Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel-Regierung Ende 2021 noch verheißungsvoll verkündet: „Wir werden Sanierung und Ausbau von Schleusen beschleunigen, den Schifffahrtsanteil im Güterverkehr steigern und dazu die Hinterlandanbindungen stärken.“
Von solchen Absichten ist offenbar im Frühjahr 2023 nichts übriggeblieben. Jens Schwanen, Geschäftsführer des Binnenschifffahrtsverbandes BDB erklärt hierzu:
„Es ist in keiner Weise nachzuvollziehen und Minister Wissing liefert auch keinerlei Begründung, weshalb im Genehmigungsbeschleunigungsgesetz kein einziges Wasserstraßenprojekt zu finden ist. Gerade im Hinblick auf die Versorgungssituation der Stahl-, Chemie- und Mineralölindustrie mit wichtigen Rohstoffen für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist ein schnelleres Planen und Bauen, etwa am Rhein und im Kanalgebiet, zwingend. Auch die Bevölkerung profitiert unmittelbar von einer verlässlichen Güterschifffahrt, etwa bei der Versorgung mit Benzin, Diesel und Heizöl oder der Belieferung von Energiekraftwerken. Diese Transporte als ‚nicht im überragenden öffentlichen Interesse stehend‘ abzuqualifizieren, wird der Bedeutung des Verkehrsträgers in keiner Weise gerecht. Der offenbar stark fernstraßenorientierte Minister wird sich wundern, wenn Baustoffe, Agrargüter, Futter- und Düngemittel, die zurzeit per Schiff transportiert werden, demnächst auch noch auf der überlasteten Straße landen. Deutschlands Klimaschutzziele wird der Minister mit dieser Verkehrsstrategie mit Sicherheit nicht erreichen.“
Konkrete, im Gesetz genannte Maßnahmen im Fernstraßen- und Schienenbereich werden als „im überragenden Interesse stehend“ und „der öffentlichen Sicherheit dienend“ qualifiziert. Dies sind Fachtermini, die für eine erleichterte Prüfung naturschutzfachlicher Angelegenheiten gemäß des Bundesnaturschutzgesetzes relevant sind. Dieses Vorgehen wird aus dem LNG-Beschleunigungsgesetz übernommen, nachdem gerade beim Bau von LNG-Terminals mit den Erleichterungen im naturschutzfachlichen Prüfungsverfahren gute Erfahrungen gesammelt wurden. „Damit wird eine zügigere Projektrealisierung gewährleistet“, heißt es in der Begründung zum Entwurf des Genehmigungsbeschleunigungsgesetzes.
Bildunterschrift:
200 Mio. Tonnen Güter werden pro Jahr auf deutschen Flüssen und Kanälen transportiert. Baustoffe, Agrargüter, Futtermittel, Dünger, Container, Kohle und Heizöl sind die wichtigsten Ladungsarten. Trotzdem sieht Minister Wissing (FDP) den beschleunigten Flussausbau nicht im überragenden öffentlichen Interesse.
Über den BDB e.V.:
Der 1974 gegründete Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e.V. (BDB) setzt sich für die verkehrs- und gewerbepolitischen Interessen der Unternehmer in der Güter- und Fahrgastschifffahrt gegenüber Politik, Verwaltung und sonstigen Institutionen ein. Der Verband mit Sitz in Duisburg und Repräsentanz in Berlin vertritt seine Mitglieder außerdem in sämtlichen arbeits- und sozialrechtlichen sowie bildungspolitischen Angelegenheiten und ist Tarifvertragspartner der Gewerkschaft Verdi. Er ist Gründungsmitglied des Europäischen Schifffahrtsverbandes EBU. Mitglieder des BDB sind Reedereien, Genossenschaften und Partikuliere, nationale und internationale See- und Binnenhäfen, wissenschaftliche Einrichtungen, Verbände sowie gewerbenahe Dienstleistungsunternehmen. Mit dem Schulschiff „Rhein“ betreibt der BDB eine europaweit einzigartige Aus- und Weiterbildungseinrichtung für das Schifffahrts- und Hafengewerbe.