Internes Papier des Bundesverkehrsministeriums bestätigt massive Unterfinanzierung: Wehre, Schleusen und Wasserstraßen werden kaputtgespart

Die Finanzplanung der Bundesregierung für die Bundeswasserstraßen gefährdet nicht nur die Umsetzung von bereits seit Jahren beschlossenen Ausbaumaßnahmen. Selbst für die Instandhaltung und den Ersatz von Schleusen und Wehren, also systemkritischen Bauwerken mit hoher Sicherheitsrelevanz für die Bevölkerung, und für Maßnahmen an Gewässern im gesamten Bundesgebiet können Vergabeverfahren in den kommenden Jahren trotz gegebener Baureife nicht wie geplant eingeleitet werden. Das betrifft insbesondere Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern. Das geht aus einer internen Unterlage des Bundesverkehrsministeriums hervor, in der die Konsequenzen der massiven Unterfinanzierung dargestellt werden.

Die Unterlage, die detailliert die nicht mehr finanzierbaren Erhaltungsmaßnahmen und Ersatzinvestitionen in den kommenden vier Jahren benennt, liegt dem Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e.V. (BDB) vor. Das Finanzdefizit beläuft sich laut dieser Unterlage bis 2029 auf mindestens 2,8 Milliarden Euro.

„Es besteht die Gefahr von Betriebsausfällen sowie Beeinträchtigungen der Sicherheit und Ordnung der Bauwerke und der Schifffahrtsanlagen“, heißt es in der Unterlage. Von 319 Schleusen seien 137 in einem nicht ausreichendem bzw. ungenügendem Zustand. Gleiches gelte für 71 Wehre. „Eine planmäßige Priorisierung von Baumaßnahmen wird durch unmittelbar anstehende Notinstandsetzungen sehr wahrscheinlich übersteuert.“ Das Investitionsbudget werde „empfindlich reduziert, da Kürzungen im Bereich der Sachausgaben in der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) ausgeglichen werden müssen.“

Der BDB sieht mit dieser Unterlage sämtliche Befürchtungen bestätigt, auf die er im Schulterschluss mit weiteren Verbänden der Wirtschaft und Industrie bereits seit mehreren Jahren wiederholt hinweist:

„Die Unterlage dokumentiert, dass die Bundesregierung mit ihren bisherigen Finanzplanungen nicht einmal den Substanzerhalt sicherstellen kann und dass sogar sicherheitsrelevante Bauwerke gefährdet sind. Die Wasserstraßen und die hierfür zuständige Bundesverwaltung werden kaputtgespart. Es ist gut, dass diese dokumentierten Umstände nun öffentlich werden. Denn in der bisherigen verkehrspolitischen Debatte wurde immer nur über baufällige Straßen, Brücken und Bahntrassen gesprochen. Die Bundestagsabgeordneten haben es im Zuge der zurzeit laufenden Haushaltsberatungen in der Hand, hier nun mit ersten Schritten umzusteuern und ein drohendes Systemversagen zu verhindern“, so Schwanen weiter. Mehr denn je sollte sich der Bund nun auch mit der Frage beschäftigen, weshalb diese marode und an jeder Stelle unterfinanzierte Wasserstraßeninfrastruktur keinen einzigen Eurocent aus dem „Sondervermögen Infrastruktur“ erhält. Aus diesem Topf sollen allein Straßen- und Schienenprojekte finanziert werden.

Der BDB weist darauf hin, dass die nun öffentlich gewordene Liste nur die Spitze eines Eisberges zeigt: Die Unterfinanzierung hat nicht nur Auswirkungen auf Ersatzinvestitionen und Erhaltungsmaßnahmen, die nicht fristgerecht in die Vergabe gehen können. Auch laufende Baumaßnahmen und Maßnahmen, die sich bereits im Vergabeverfahren befinden, sind betroffen. Hier drohen Verzögerungen, Vertragsstreitigkeiten, Störungen des Bauablaufs und Schadensersatzansprüche zu Lasten des Bundes, etwa beim Ersatzneubau der Schleusen Kriegenbrunn und Erlangen am Main-Donau-Kanal und bei der Grundinstandsetzung der Schleuse Kachlet an der Donau. Hier könne bei nicht rechtzeitiger Maßnahmenumsetzung der Ausfall der Wasserstraße und damit das Abschneiden wichtiger Donauhäfen vom Rheingebiet und den Seehäfen drohen, heißt es in einer weiteren Unterlage der Verwaltung.

 

Bildunterschriften:

Bild 1:

Durch die unzureichende Finanzplanung der Bundesregierung werden die Wasserstraßen kaputtgespart. Dabei sind die Wasserstraßen, wie etwa der Rhein (im Bild zwei Containerschiffe bei Leverkusen), unverzichtbare Transportadern für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

 

Bild 2:

Wasserstraßenbauwerke, wie etwa die im Bild zu sehende Ruhrschleuse in Duisburg, müssen regelmäßig saniert werden. Die Liste dokumentiert, dass nicht einmal der Substanzerhalt der Bauwerke sichergestellt werden kann.

Das Copyright der Fotos liegt bei der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW).

 

 

Über den BDB e.V.:

Der 1974 gegründete Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e.V. (BDB) setzt sich für die verkehrs- und gewerbepolitischen Interessen der Unternehmer in der Güter- und Fahrgastschifffahrt gegenüber Politik, Verwaltung und sonstigen Institutionen ein. Der Verband mit Sitz in Duisburg und Repräsentanz in Berlin vertritt seine Mitglieder außerdem in sämtlichen arbeits- und sozialrechtlichen sowie bildungspolitischen Angelegenheiten und ist Tarifvertragspartner der Gewerkschaft Verdi. Er ist Gründungsmitglied des Europäischen Schifffahrtsverbandes EBU. Mitglieder des BDB sind Reedereien, Genossenschaften und Partikuliere, nationale und internationale See- und Binnenhäfen, wissenschaftliche Einrichtungen, Verbände sowie gewerbenahe Dienstleistungsunternehmen. Mit dem Schulschiff „Rhein“ betreibt der BDB eine europaweit einzigartige Aus- und Weiterbildungseinrichtung für das Schifffahrts- und Hafengewerbe.