Massive Schwierigkeiten beim Containerumschlag in den Seehäfen – Hausgemachte Probleme verärgern die Industrie und die Binnenschifffahrt
Die Containerabfertigung in den Seehäfen Rotterdam und Antwerpen gerät zunehmend zum Desaster: Bereits seit Ende Mai kommen die Terminals dort mit der Abfertigung nicht mehr hinterher. Sowohl bei den ausgehenden Verkehren in Richtung Übersee, als auch bei der Verschiffung von Containern in das Hinterland kommt es zu massiven zeitlichen Verzögerungen. Binnenschiffe werden an den Containerterminals nur noch mit mehrtägiger Verspätung abgefertigt. Verbindliche Abfertigungstermine gibt es nicht mehr; die Wartezeiten zum Laden bzw. Löschen der Fracht betragen im Hafen Antwerpen bis zu 96 Stunden. In Rotterdam sind es sogar bis zu 120 Stunden.
Vertreter aus Wirtschaft und Industrie schlagen nun zusammen mit Firmenvertretern des Binnenschifffahrtsgewerbes und des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt e.V. (BDB) Alarm, denn Wartezeiten beim Umschlag von bis zu einer Woche sind unzumutbar. Containercarrier in der Binnenschifffahrt können unter diesen Umständen die Einhaltung ihrer Fahrpläne nicht mehr garantieren. Entstehende Mehrkosten für das Löschen an anderen Terminals, zum Beispiel um Termine zu halten, können keinesfalls durch die Dienstleister bzw. deren beauftragende Verlader geschultert werden. „Folgekosten durch verpasste Seeschiffsabfahrten bzw. verspätete Gestellungen von Containern liegen außerhalb unseres Verantwortungsbereichs“, argumentiert die Branche, die sich selber häufig als „Spielball“ in Abfertigungsabläufen in den Seehäfen sieht und mit enormem Mehraufwand und zusätzlichen Kosten zu kämpfen hat.
Der Wirtschaftsstandort Deutschland leidet massiv unter dieser Situation in den Westhäfen. Und auch umweltpolitisch ist die derzeitige Situation ein Trauerspiel. Immer mehr Containerverkehre werden zurzeit aus der Not heraus auf die Straße verlagert, weil die Zuverlässigkeit den Kunden der Verlader gegenüber keine andere Wahl lässt. Und die derzeit niedrigen Wasserstände am Rhein verhindern, dem Stau in den Seehäfen schlicht mit mehr Schiffsraum im Hinterland zu begegnen.
Die Ursachen dieser unhaltbaren Zustände liegen nicht in Wetterkapriolen oder ähnlichem begründet, sondern sind in weiten Teilen hausgemacht. Die Fusion der großen Seereedereien mit komplett neuen Abfahrtplänen sorgt seit Monaten weltweit für Chaos in der Abfertigung. Große Seeterminals in den Westhäfen bewegen sich mit einer Auslastung von 90 % an der Grenze des Machbaren. Auch die bisher als Bypass genutzten Terminals sind inzwischen ausgelastet. Der Cyberangriff auf ein großes Seeterminal in den vergangenen Tagen hat die Abfertigung zusätzlich ins Stocken gebracht. Alle Versprechungen der Terminalbetreiber, diese Situation nun kurzfristig in den Griff zu bekommen, haben sich als haltlos erwiesen.
Wirtschaftsvertreter, die Binnenschifffahrtsbetreiber mit dem BDB und Vertreter von Terminal und Hafen hatten dazu in den letzten Monaten gemeinsame Konzepte verabredet, die auch Wirkung zeigten, nun aber wieder ins Gegenteil umzuschlagen scheinen. Auch die Seehäfen Rotterdam und Antwerpen bemühen sich im Rahmen von Gesprächsrunden auf höchster Führungsebene und mit sämtlichen Beteiligten um eine Beseitigung der Misere.
Die Forderung von Industrie und Wirtschaft sowie der Binnenschifffahrtsunternehmen ist daher eindeutig: „Es genügt uns nicht, dass in gemeinsamen Gesprächen mit Terminalbetreibern Besserung gelobt wird. Die Seehäfen sind aufgefordert, die Abfertigungsprobleme endlich operativ in den Griff zu bekommen. Dazu müssen auch den Binnenschifffahrtsunternehmen verbindliche Abfertigungstermine gegeben werden, damit Planungen nicht immer wieder über den Haufen geworfen werden müssen oder von einer Vertröstung zur anderen gehangelt wird. Dies alles muss nun zeitnah geschehen, damit die Erfolgsstory ‚Container in der Binnenschifffahrt‘ fortgeschrieben werden kann!“
Über den BDB e.V.:
Der 1974 gegründete Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e.V. (BDB) vertritt die gemeinsamen gewerblichen Interessen der Unternehmer in der Güter- sowie der Fahrgastschifffahrt gegenüber Politik, Verwaltung und sonstigen Institutionen. Mitglieder des BDB sind deshalb Partikuliere, Reedereien und Genossenschaften. Auch Fördermitglieder unterstützen die Arbeit des BDB. Der Verband mit Sitz in Duisburg und Repräsentanz in Berlin bezieht Stellung zu verkehrspolitischen Fragen und bringt sich aktiv in die Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein. Seit der Fusion mit dem Arbeitgeberverband (AdB) im Jahr 2013 vertritt der BDB auch die Belange der Verbandsmitglieder in arbeits-, tarif- und sozialrechtlichen sowie personal-, sozial- und bildungspolitischen Angelegenheiten und ist Tarifvertragspartner der Gewerkschaft Verdi. Der BDB betreibt das in Duisburg vor Anker liegende Schulschiff „Rhein“ – eine europaweit einzigartige Aus-, Fort- und Weiterbildungseinrichtung für das Binnenschifffahrtsgewerbe.