Vertreter der SPD-Bundestagsfraktion zu Gast in Duisburg – Politiker informieren sich im Zentrum der Binnenschifffahrt
Wie steuert man eigentlich ein 135 Meter langes Binnenschiff, beladen mit vier Lagen Containern, über den Rhein? Die SPD-Bundestagsabgeordneten Andreas Rimkus (Düsseldorf), Udo Schiefner (Viersen) und Sebastian Hartmann (Troisdorf) starteten hierzu am 17. September 2014 in Duisburg einen spannenden Selbstversuch. Der fand allerdings nicht auf dem Wasser, sondern im Flachwasserfahrsimulator „Sandra“ statt. „Sandra“ ist ein in Europa einzigartiger Binnenschiffsimulator, der im Schifferberufs-Kolleg in Duisburg-Homberg beheimatet ist und u.a. zu Ausbildungs- und Fortbildungszwecken die Fahrt eines Großmotorgüterschiffes unter nahezu realen Bedingungen nachbildet, z.B. auf dem Rhein.
Die Fahrt mit dem Binnenschiffsimulator, die übrigens weitgehend unfallfrei verlief, war jedoch nur ein Programmpunkt, der die drei Bundestagsabgeordneten auf Einladung des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt e.V. (BDB) nach Duisburg geführt hatte. Alle drei sind Mitglieder des Verkehrsausschusses im Deutschen Bundestag. Sie tragen damit auch politische Verantwortung für die weitere Entwicklung der Binnenschifffahrt, die immer noch zu den umweltfreundlichsten Verkehrsträgern für die Bewältigung des Transports großer Gütermengen zählt. Es war daher absolut naheliegend, dass die Abgeordneten sich zunächst die aktuelle Lage der Binnenschifffahrt von BDB-Präsident Georg Hötte und Geschäftsführer Jens Schwanen skizzieren ließen. Den erfreulichen Zuwächsen beim Gütertransport – im Jahr 2013 wurden knapp 227 Mio. Tonnen Güter auf dem Wasser transportiert – und der erneut gestiegenen Verkehrsleistung steht leider immer noch eine vergleichsweise schwache Ertragslage gegenüber: Hohe Personal- und Treibstoffkosten bereiten ebenso Sorgen wie die gegebene Überkapazität an Schiffsraum in der Rheinschifffahrt.
Duisburg war als Treffpunkt für dieses Gespräch zwischen Politik und Gewerbe richtig gewählt, denn hier am Niederrhein schlägt das Herz der Binnenschifffahrt: Rund 80 % des Güterverkehrs in der Binnenschifffahrt findet auf dem Rhein und seinen Nebenwasserstraßen statt, wozu insbesondere das westdeutsche Kanalgebiet zählt. Über 157 Mio. Tonnen Güter wurden im Jahr 2013 auf dem Rhein am deutsch-niederländischen Grenzübergang Emmerich gezählt, was einer Anzahl von über 102.000 Schiffen entspricht. 18,6 Mio. Tonnen Güter passierten im Jahr 2013 die Eingangs-/Ausgangsschleuse am Wesel-Datteln-Kanal in Friedrichsfeld. Weitere knapp 13 Mio. Tonnen Güter wurden in Duisburg-Meiderich an der Schleuse in den Rhein-Herne-Kanal gezählt. Anders ausgedrückt: Über 36.000 Schiffe passierten im Jahr 2013 die Eingangs-/Ausgangsschleusen des westdeutschen Kanalgebiets!
So beeindruckend diese Bilanz des Güterverkehrs per Binnenschiff auch ist: Der Zustand der Flüsse und Kanäle in Deutschland bereitet den Binnenschiffern zunehmend Sorgen. Aufmerksam verfolgten die SPD-Politiker die Schilderungen zu den Problemen in der Wasserstraßeninfrastruktur: 50 % der Schleusen sind älter als 80 Jahre, 30 % der Schleusen haben das technische Lebensalter von 100 Jahren bereits erreicht oder überschritten. Mehr noch: Die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) hat ermittelt, dass ein Drittel aller Schleusen in Deutschland sich in einem nicht mehr ausreichenden Zustand befinden. „Die Wasserstraßen-Bauwerke werden ‚auf Verschleiß‘ gefahren!“, resümiert BDB-Präsident Georg Hötte den Zustand. „Und es fehlt rund eine halbe Milliarde Euro pro Jahr im Bundeshaushalt, um diesen Zustand zu beseitigen“. Der Appell an die SPD-Abgeordneten lautete daher, sich in Berlin für den Erhalt und Ausbau der Flüsse und Kanäle einzusetzen. Hierzu gehört auch, deutlich mehr Planungspersonal in die Verwaltung zu bekommen: „Was nützt das Geld im Bundeshaushalt, wenn kein Personal vorhanden ist, das es verplanen und verbauen kann? Im vergangenen Jahr sind deshalb knapp 200 Mio. Euro des Wasserstraßenetats ungenutzt geblieben“, brachte der BDB-Präsident die Problemlage auf den Punkt.
Bei der Besichtigung des Schulschiffes „Rhein“ in Duisburg-Homberg informierten sich die Abgeordneten über die Ausbildungssituation in der Binnenschifffahrt. Das Binnenschifffahrtsgewerbe investiert intensiv in den eigenen Nachwuchs: 78 Azubis sind zurzeit während ihres Blockunterrichts am Berufskolleg auf dem Schulschiff untergebracht. An Bord des Schulschiffes, das vom Branchenverband BDB getragen wird, werden die Schiffsjungen und Schiffsmädchen nicht nur verpflegt und betreut, sondern auch auf ihre zukünftige Tätigkeit an Bord eines Binnenschiffes vorbereitet. Die BDB-Vertreter dankten den Bundestagsabgeordneten für ihr Engagement bei der Ko-Finanzierung der Modernisierung des Schulschiffes; der Umbau soll Ende des Jahres abgeschlossen sein.
Den Abschluss der Exkursion in die Welt der Binnenschifffahrt bildete dann die Schifffahrt auf dem Rhein an Bord eines sog. Bilgenentölers, wo die Abgeordneten sich über das umweltgerechte System der Entsorgung ölhaltiger Schiffsabfälle informierten, und der Besuch an Bord eines modernen Containerschiffs im Duisburger Hafen. MS „Aquapolis“, Baujahr 2007, ist mit 135 Meter Länge und über 17 Meter Breite eines der größten und modernsten Schiffe auf dem Rhein. Es kann bis zu 6.000 Tonnen Massengut bzw. an Containern bis 660 TEU transportieren. Der Blick auf den Steuerstand mit seiner umfangreichen Computer-, Monitor- und Radarausstattung bestätigte den Bundestagsabgeordneten, dass das Berufsbild des heutigen Binnenschiffers weitaus komplexer und vielfältiger ist, als allgemein angenommen wird.
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Bildunterschriften
Bild 1:
Verschafften sich einen Überblick über die Ausbildungssituation auf dem BDB-eigenen Schulschiff: (v.l.n.r.) MdB Udo Schiefner, BDB-Geschäftsführer Jens Schwanen, Schulschiff-Kapitän Lothar Barth, BDB-Präsident Georg Hötte, MdB Andreas Rimkus, Philipp Tacer (Mitarbeiter Büro MdB Rimkus)
Bild 2:
Erfolgreiche Navigation eines 135-m-Schiffes auf dem Fahrsimulator: MdB Udo Schiefner. Es begutachten und unterstützen im Hintergrund: (v.l.n.r.) Dipl.-Ing. Klaus Paulus (Berufskolleg), Prof. Dr.-Ing. Ernst Müller (DST), BDB-Präsident Georg Hötte, MdB Sebastian Hartmann, MdB Andreas Rimkus, Philipp Tacer (Mitarbeiter Büro MdB Rimkus)
Bild 3:
Simulierte Einfahrt in den Duisburger Hafen: MdB Sebastian Hartmann. Fröhlich im Hintergrund: (v.l.n.r.) Dipl.-Ing. Klaus Paulus (Berufskolleg), Manfred Wieck (Berufskolleg), Prof. Dr.-Ing. Ernst Müller (DST), BDB-Präsident Georg Hötte, MdB Andreas Rimkus
Bild 4:
Blick in das Steuerhaus des Containerschiffs „Aquapolis“: Radaranlagen, elektronische Wasserstraßenkarten, Kameraüberwachung und Computerunterstützung sorgen für sichere Schiffsnavigation
Über den BDB e.V.:
Der 1974 gegründete Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e.V. (BDB) vertritt die gemeinsamen gewerblichen Interessen der Unternehmer in der Güter- sowie der Fahrgastschifffahrt gegenüber Politik, Verwaltung und sonstigen Institutionen. Mitglieder des BDB sind deshalb Partikuliere, Reedereien und Genossenschaften. Auch Fördermitglieder unterstützen die Arbeit des BDB. Der Verband mit Sitz in Duisburg und Repräsentanz in Berlin bezieht Stellung zu verkehrspolitischen Fragen und bringt sich aktiv in die Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein. Seit der Fusion mit dem Arbeitgeberverband (AdB) im Jahr 2013 vertritt der BDB auch die Belange der Verbandsmitglieder in arbeits-, tarif- und sozialrechtlichen sowie personal-, sozial- und bildungspolitischen Angelegenheiten und ist Tarifvertragspartner der Gewerkschaft Verdi. Der BDB betreibt das in Duisburg vor Anker liegende Schulschiff „Rhein“ – eine europaweit einzigartige Aus-, Fort- und Weiterbildungseinrichtung für das Binnenschifffahrtsgewerbe.